NSCI: Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten

Folgendes Schreiben verfasste ich, um auf eine Äußerung einzugehen, die im Buch NSCI Das visuelle Erscheinungsbild der Nationalsozialisten getätigt wurde. Mittlerweile hat Herr Koop bereits geantwortet: Er wird meine Bedenken in einer Neuauflage berücksichtigen.

Sehr geehrter Herr Koop, vielleicht entsinnen Sie sich meiner: Ich rief Sie vor einigen Wochen, noch inmitten akuter Gefechte mit meiner Masterarbeit, an und wies Sie darauf hin, daß ich mit einer Behauptung, die Sie in Ihrem Buch NSCI zum Künstler Fidus trafen, nicht einverstanden bin. Und sobald die Walstatt der Arbeit einem Ende zugeht, sich wieder geistige Kapazitäten lösen, würde ich wieder auf Sie zukommen wollen. Mit der erfolgreichen Beendigung der Masterarbeit am vergangenen Freitag lasse ich meinen Drohungen nun Taten folgen. 
 
Um das folgende Schreiben mit einer bescheidenen Zurückhaltung zu vertreten, die seiner Leistung angemessen ist, möchte ich einige Aspekte zuvorderst festhalten. Als M. Sc. In Engineering spreche ich mir beim besten Willen nicht das Rüstzeug zu, welches einem Kunsthistoriker und Philologen inhärent ist. Des Weiteren fehlen mir aktuell leider die finanziellen Möglichkeiten, ein Exemplar Ihres Buches mein Eigen nennen zu können, weswegen ich lediglich über ein Photo der Seite verfüge, welches die (für mich) problematische Äußerung Ihrerseits visualisiert:

„Ein schwärmerischer Utopist, der sich von den >>Völkischen<< wie auch später von den Nationalsozialisten für deren Zwecke einspannen ließ […].“ (Hervorhebung durch den Verfasser) 

Für diese Behauptung geben Sie keine Quelle an. Daher kann ich nur schlußfolgern, daß es sich hierbei schlicht um eine persönliche Meinung handelt, die bar jeder Grundlage ist, sich weder auf Fakten noch auf Beispiele beruft, und folglich nichts in einer wissenschaftlichen Arbeit verloren hat. 

Fidus war zweifelsohne eine ambivalente Persönlichkeit und suchte, nach einem Leben der ständigen Ablehnung, die Nähe zu den Nationalsozialisten. Inwieweit sich dabei jedoch nur eine phantastische Hoffnung manifestierte, nun endlich „großschaffen“ und wirken zu dürfen, oder ob es wirklich eine beträchtliche Schnittmenge an ideologischer Überzeugung gab, darüber ließe sich sicherlich streiten. Doch bereits Frecot et al. hielten fest, daß Fidus schon 1935 resignierte und nicht mehr daran glaubte, eine wie auch immer geartete Rolle im 3. Reich zugesprochen zu bekommen.[1] In einem Brief vom 22. Mai 1935 an Herrn Elsner, der für Fidus Prospekte und Postkarten druckte, resümiert er seine Lage: 

Meine Einläufe für Kunst kommen selbst ‚auf Stottern‘ oft nicht zustande, d.h. die anfängl. verabredeten Aufträge sind dann noch meist Kleinigkeiten, ja Kleinlichkeiten, mit denen ich im ‚dritten Reich‘ endlich aufzuhören gehofft hatte – aber das Gegenteil geschieht! Auf welches ‚Reich‘ soll ich 67er noch warten?“[2]

Fidus, der bereits 1925 in dem Verlagsrundschreiben „Den Rasse-Rasslern“ einer Utopie der Reinrassigkeit widersprach, blieb sich nicht nur in diesem Punkte treu und schrieb an ein befreundetes Ehepaar im Jahre 1935:

„[…] Und wenn ich auch in meinen gedruckten Rundsagen und Bildern nur positiv mitgehe, kann ich doch die plumpen Verallgemeinerungen in den Rassen- und sonstigen Kulturfragen nicht mitmachen. Und da mein Schaffen und Bekennen das ‚unwillkürlich‘ immer hat fühlen lassen, so bin ich den Heutigen ebenso tabu wie ihren Gegnern, zumal wenn sie wüßten wieviel ich Juden zu danken habe […].“[3]

Im selben Jahre wird er sich mit der Widerstandsgruppe „Tatgemeinschaft“, die sich durch die Rettung vieler Verfolgter des NS-Regimes auszeichnete, in Eberswalde ablichten lassen.[4] Dieser Kontakt kam durch Herrn Prof. Strecker zustande, der als Vorsitzender des Guttemplerordens zu Berlin ebenfalls in Eberswalde an der Forstakademie lehrte. Er und Fidus unterhielten ein langjähriges amikales Verhältnis.

Wie wenig Interesse die Nationalsozialisten daran hatten, ihn für ihre Zwecke einspannen zu wollen, zeigt sich vor allem in den Jahren 1936/37, in denen er im „Schwarzen Korps“ als Verkitschter der nordischen Kunst geführt wird. Drucke werden beschlagnahmt und deren Verkauf untersagt. Wolfgang Willrich wird ihn letztlich zu den „Entarteten“ in seinem Buch Säuberung des Kunsttempels stellen.[5] Dies zieht sich fort und gipfelt wohl in der Ablehnung seines Auftragswerks (!) von 1941 „Das Haupt des Führers“ (Fidus empfand es als eine Zumutung) durch Hitler selbst, der unmittelbar sowohl die Reproduktion als auch den Verkauf untersagte.[6] Fidus selbst berichtet bereits im Mai 1933 von einem geplanten Lichtbildvortrag in Hannover, der ein Misserfolg wurde, da, aus Angst vor der „Büttelzensur der S.A.“, auf jede öffentliche Bekanntmachung verzichtet wurde.[7]
 
Zusammenfassend kann noch einmal festgehalten werden, daß es in beiden Werken, die posthum zu Fidus erschienen, einen Konsens gibt: Fidus wurde vom 3. Reich abgelehnt. Weiterführend muß ebenfalls festgehalten werden, Fidus blieb seinem weichen Jugendstil der „verkitschten Halbgermanen“ bis zuletzt treu. Wie man auch immer die Wirkrichtung eines „Einspannens für die Zwecke“ verorten möchte, sie war schlicht nicht existent. 

Mit den besten Grüßen aus Eberswalde

Gunnar Finder



[1] Vgl. Frecot et al.: Fidus 1868-1948, S. 200 f.  
[2] Aus der Geschäftskorrespondenz mit der Familie Elsner, Halle / Westf., die dem Verfasser im Original vorlag und die nun in das Archiv der deutschen Jugendbewegung integriert wurde.
[3] Wermer: Fidus – Künstler alles Lichtbaren, S. 89 f.
[4] Vgl. Wörmann: Widerstand in Charlottenburg, S. 107 ff.
[5] Vgl. Frecot et al.: Fidus 1868-1948, S. 202.
[6] Vgl. Wermer: Fidus – Künstler alles Lichtbaren, S. 96 f.
[7] Vgl. Aus der Geschäftskorrespondenz mit der Familie Elsner.


Literaturverzeichnis:
(1)          Frecot, Janos; Geist, Johann Friedrich; Kerbs, Diethart: Fidus 1868-1948. Rogner & Bernhard: Hamburg 1997.
(2)         Wermer, Ute: Fidus – Künstler alles Lichtbaren. In: Bruyn, Wolfgang de (Hrsg.): Fidus – Künstler alles Lichtbaren. Schelzky & Jeep: Berlin 1998, S. 20-103.
(3)         Wörmann, Heinrich-Wilhelm: Widerstand in Charlottenburg. Gedenkstätte Deutscher Widerstand: Berlin 1998.


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