Fidus, das heißt: Der Getreue


Seinen Künstlernamen Fidus erhielt Hugo Höppener in den Jahren bei bzw. von seinem Meister Diefenbach, genauer: in den zwei Jahren von 1887-1889, die er in Höllriegelskreuth bei München verlebte. Nämlich dort hatte sich Diefenbach niedergelassen und sich, den widrigen Umständen entziehend, einen kleinen Mikrokosmos geschaffen, in dem er mit seiner Familie und seinen Schülern einem Leben nachstrebte, das seinen Idealen entsprach. Und in dieser trauten Abgeschiedenheit geschah es dann auch, daß man sich aller Kleider entledigte, ohne jedoch mit des Kaisers beäugelnder Gendarmerie gerechnet zu haben. Das Resultat dessen mündete in einer kurzen Haftstrafe, die Hugo für seinen Meister, der als Urheber verortet wurde, aussaß. Diefenbach verlieh ihm daraufhin den Namen Fidus, der Getreue. So weit, so bekannt, so Konsens...
Zu Irritationen kam es indes, als ich mich erneut an der Lektüre vergriff, die Fidus' Zeitgenossen sich anschickten über ihn zu verfassen. Sowohl Spohrs Monographie "Fidus" (1902), das "Fiduswerk" von Rentsch (1925) als auch Griebels "Fidus' lichtgläubiges Schaffen" (ca. 1931), alle berichten eben nicht davon, Fidus erhielt seinen Namen, da er die Strafe für den damals kränklichen Diefenbach stemmte. Vielmehr wurde ihm dieser klösterliche Ehrenname in dieser klösterlichen Einöde, die mit so vielen Entbehrungen aufwartete, verliehen, da er treu an Diefenbachs Seite blieb. Semantisch scheint mir das ebenfalls einleuchtender. 
In der Literatur post mortem liest sich die Begebenheit etwas anders: Während Frecot, Geist und Kerbs lediglich in einer Randnotiz erwähnen, daß Diefenbach diesen Namen verlieh, ohne jedwede Details zu nennen, klingt es bei Hermand zumindest nach einer Fusion beider Geschehnisse, indes das bestimmende Moment die Polizeistrafe ist. Ute Wermer ist es dann, die im Buch "Fidus - Künstler alles Lichtbaren" (1998) die Kausalität eindeutig und einzig mit der Polizeistrafe in Einklang bringt, ohne dies überhaupt noch mit einer Quelle zu belegen. Und am bitteren Ende steht wieder einmal der Woltersdorfer Verschönerungsverein, der auf seiner Gedenktafel am Grabe Fidus' niederschrieb:

"Wie ihn sein Lehrer für eine großherzige Hilfe genannt hatte" 

Ich unterstelle dem Verein jetzt einfach mal jugendlich-naiv, sie wollten Unwissende nicht unnötig verunsichern und versuchten, die Haftstrafe, auf die sie augenscheinlich anspielen, ein bißchen schwurbeliger darzustellen. (Tja, lieber Verschönerungsverein aus W., verunsichert habt ihr mich jetzt aber.)
Woher diese Diskrepanz nun herrühren mag, ist schwer rekonstruierbar. Ein Blick in Fidus' "kleine Lebenserinnerungen", die er 1943 verfasste, könnte die Problematik möglicherweise etwas erhellen. Andererseits wird immer wieder betont, diese Aufzeichnungen seien geschönt.  
Für mich stellt sich zumindest die Frage, weswegen seine Zeitgenossen es möglicherweise hätten zu verschleiern versucht, daß ihm, laut Wermer und Hermand, dieser Name nur wegen der Haft beigegeben wurde. Hätte es seinem Ruf geschadet, wenn man klar ausspricht, für seine Ideale, seine Lebenseinstellung, seinen gewählten Weg wurde er abgestraft? Und genau das kann ich mir nicht vorstellen. Nämlich genau dieser Fidus betrat das Gericht barfuß, wohlwissend, einer weiteren Provokation damit Vorschub zu leisten. Dieser kleine biographische Fehler wird sich über die Jahre schlicht eingeschlichen haben. 

*Ausschnitt "Aufgang" aus dem Schattenfries Per aspera ad astra (1888), Fidus (links im Bilde) mit Diefenbach und seinen drei Kindern, Helios, Lucidus und Stella

Gunnar Finder / Eberswalde / schneebedeckter 20.03.2018




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