Das (eigentlich geplante) Woltersdorfer Denkmal


 "Mein einziger öffentlicher Auftrag, weil umsonst angeboten und an der Denkmalswand ausgemeisselt."

So notierte es Fidus auf der Kunstkartenreproduktion des Reliefs am Ehrenmal der Gefallenen zu Woltersdorf (Bild rechts). Nicht weniger spöttisch fügte er auf einer anderen Karte noch den Vermerk "weil hier hinten" hinzu. Daß sich das Denkmal trotzdem in das Gedächtnis einbrannte, auch wenn es weit vor den Toren von Berlin realisiert wurde, verdankt es vor allem seiner Einzigartigkeit: Die Ehrung der 82 Woltersdorfer, die im 1. Weltkrieg ihr Leben ließen, in der Sphäre der nordischen Mythologie zu bannen, war auch für damalige Verhältnisse eine Besonderheit.
Initiiert wurde die Gedächtnisstätte 1924 vom Landwehrverein, der im selben Jahr einen entsprechenden Denkmalfonds einrichtete. Im darauffolgendem Jahr wurden die eingereichten Entwürfe verabschiedet und die Aufträge erteilt, so daß bereits 1926 das Denkmal feierlich eingeweiht werden konnte.
2017 endlich wurde das Mittelrelief restauriert, nachdem das auf Sandstein gefertigte Kunstwerk aus Fidus' Hand durch den jahrzehntelangen Witterungseinfluß nahezu gänzlich verkommen war. Dem Woltersdorfer Verschönerungsverein ist dies zu verdanken, deren Mitglieder stetig um den Erhalt des Denkmals bemüht waren.
Nun stolperte ich jüngst über eine Postkarte in meiner bescheidenen Sammlung, die das konzipierte Denkmal skizziert wiedergibt und augenscheinlich als Werbemittel im Jahre 1925 genutzt wurde, um mögliche finanzielle Unterstützer zu erschließen. Der abgebildete Entwurf von dem Architekten Brinkmann entspricht dem tatsächlich umgesetzten Bau. Jedoch zeigt das angedeutete Mittelrelief, welches in den fidus'schen Arbeitsbereich fiel, ein anderes Bild als das obige "Unsern Helden":


Genau, liebe Leserinnen und Leser, Sie erkennen es ganz richtig: Bei dem Relief auf der Werbekarte wurde Fidus' "Totenklage" angedeutet. Warum er sich letztlich für eine andere Arbeit entschied, irrlichtert wieder einmal in einer Nebelwirrnis umher. War es dem Landwehrverein nicht patriotisch genug? Wollte man das Soldatische nuancieren und bat Fidus, den Charakter zu behelmen? Kam möglicherweise der Impuls, einen nordisch-mythologischen Rahmen zu geben, gar nicht von Fidus selbst? Fragen über Fragen...

Wer sich auch immer dafür verantwortlich zeichnete, den Entwurf doch noch abzuändern, läßt sich leider nicht mehr rekonstruieren. Auffällig ist indes, daß Fidus seine Kunstkarte "Unsern Helden" in einem späteren Verlagszyklus mit den Jahren 1926/27 datiert, was bedeuten könnte, daß die Entscheidung eines Neuentwurfes des Mittelreliefs wirklich erst sehr spät getroffen wurde. Dies würde sich ebenfalls damit decken, daß Fidus das Werk direkt vor Ort ausmeisselte, es bei der Einweihung also noch gar nicht vollendet war. Ein Königreich für einen Anwesenden...






Gunnar Finder / Eberswalde / irrlichternder 28.03.2018

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